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Oberbilliger Platt

ist ein -auch gegenüber unseren unmittelbaren Nachbarorten Wasserliesch, Temmels und Fellerich sich abgrenzender- eigenständiger moselfränkischer Dialekt, der trierische wie auch luxemburgische Sprachelemente aufweist. Dies ist geschichtlich bedingt. Oberbillig gehörte zwar politisch seit Urzeiten zu Luxemburg; wirtschaftlich und kulturell war der Einfluss des nahen Trier prägend. Mit beiden gemeinsam haben wir die „Unart“ als Artikel nur die Form des „Wen“-Falls (Akkusativ) anzuwenden. Auffällige Gemeinsamkeiten mit dem Trierischen sind, dass wir -außer bei den Hilfsverben sein und haben- keine erste Vergangenheit (Imperfekt ) kennen, den Trierer Doppelvokal ao vielfach anwenden und Vokale oft gedehnt aussprechen. Wie im Luxemburgischen haben wir die starke Senkung des i zu a (Beispiele: Kind - Kand, Rind - Rand, finden - fannen, binden – bannen).

 

Als Schreibweise für unser Uwerbëlliger Platt bietet sich heute diejenige des Luxemburgischen an.

So schreiben wir demnach kein "ß" sondern "ss" und kein ck sondern kk und Dehnungen nur mit Verdoppelung des jeweiligen Vokals, auch beim i.

 

Neben den Vokalen : "a – u – i – o" tritt der Vokal "e" wie im Luxemburgischen je nach Betonung in drei verschiedenen Schreibweisen auf. Beispiele: e in Apel = Apfel, é (hart betont) in Bréck = Brücke, ë ( nach ö klingend) in Fësch = Fisch.

 

Als Doppelvokale (Diphtonge) kommen vor : äi, ai, ei, éi, au, ou, oi und der besagte Trierische ao z. B. in lao oder dao = da. Dann gibt es noch sogenannte Rutschlaute ("Rëtschlaute") : ie – ue – äe. Dies bedeutet, dass wir vom ersten Vokal auf den zweiten „rutschen“. Man hört also beide Vokale, wenn auch den zweiten in etwas abgestumpfter Form (Beispiele liesen = lesen, lueden = laden).

 

Nachfolgend einige Sprachbeispiele:

 

En aalen Schëffmann1

Heino Zimmer

 

Bei dem aalen Schëffmann hannerm Hoos,

op der Seet zuer Musel roos,

dao hänkt um Giewel bont gestrach

e Steierrad on e Bugliit2 nach.

Vun seim letzten Schëff de Faanenmast,

den wonnerbar daoniewent passt,

as beflaggt mat schéinen Bänner

on Wëmpeln on Fundeln oos villen Länner.

 

Am Fenster stäät e Sejelboot,

watt hen selwer gebaut seech hot.

On Jidden, de wou de Musel befiert,

hot gleech gemerkt on och gespiert,

lao an dem Hoos wunnt Äänen dran,

den net vum Waasser laossen kann.

Sein Gedanken trinn hen emmer nääss weck

hanner den Haspel3, roos op et Deck.

 

E Puar Holzklompen oos Niderland,

déi hänken un der selwer Wand.

Dao wuessen am Summer Bloumen dran,

déi géisst hen fréi am Morien dann.

Den as schunn fleessich Sääl um spleessen,4

wenn sich annern oos de Bäter reessen.

An seiner Werkstatt an dem Hoos,

dao seet et wéi om Frachtschëff oos.

 

Këmmt maol e Schëff, wat hen goud kennt,

dann passt maol op, wéi den dann rennt.

On hanner seinem Fenster roos

knipst hen e Liitschi un on oos.

Dao réift ma dorsch de Hänn seech zou:

„Wéi gäät et Ääsch dann wei nach sou?“

Wenn seech dat Schëff dann lues verzéit,

dann seet hen alt oos on och méid.

 

Määst gäät hen dann zou den Naachen hin,

déi fier gleech an der Musel stin,

on loostert, wat de Wellen saon,

déi hen mat seinem Böötschi traon.

Hen schmeesst schunn maol de Angel rann,

dach koom get maol e Fësch gefang.

Den merkt net, wenn de Stëppschi gäät,

well hen emmer nach um Steier stäät.

 

1) Dat Gedicht as oos dem kliene Bouch „An éisem kliénen Därfi“ - Mundartgedichte aus Oberbillig -, dat den Heimat- und Verkehrsverein Oberbillig 1980 roos ging hot. An diem Bouch sen och nach vill anner Gedichter vun annern Uewerbëlliger Heimatdichtern.

2) Bugliit, dat as en Schëffsluut déi aowends fir op den Kaop gesaat get.

3) Haspel, dat as et Steierrad om Schëff

4) spleessen häscht an der Schëffersproch zwää Enner vun em Sääl verbannen.

 


 

Den aalen Baam

Karl-Heinz Zimmer

 

Den aalen Baam stäät op dem Bersch,

ganz allien an er grousser Persch. .

sein Ääst, déi sen vun Kiält ganz steef,

on deck belueden mat Glétzerreef.

 

Storm on Rien, déi rëseln hen.

Wat hun déi blouss mat mir am Senn?

Sou denkt hen dax an seiner Nout.

Hen denkt och manchmaol un den Doud.

 

De Miärz brëngt him nääs Liewenskraaft.

Ganz lues steigt him den neien Saaft.

Hen ass op ämaol net méi méid.

Am Aprël stäät hen a’ voller Bléit.

 

Well ass hen och nääs ebbes weert.

Bei de Beien ass hen sou begeert.

Déi verwinnen hen mat vill Gesumm,

on och de Hummeln, déi mat Gebrumm.

Am Mää get hen dann nach méi schéin,

am neien Kläd ooss hellem Gréin.

Dao këmt och schun en Dauergast;

e Märel baut an him seen Nast.

 

Vergääss senn well all Schnéi on Rien.

Am Summer ass hen net méi allien.

De Kéi senn och nääs op der Wied.

Déi idrien sou gär bei him am Schied.

 

Am Herst kréit éisen Baam see’ Loun;

Roudgolden Äpel ziern sein Kroun.

Hen hot alt nääs erfëllt see’ Soll.

Et get dree grousser Mandeln voll.

 

Dao héiern mit loot de Bauer saon:

„De Pädder lao, de bleiwt nach staon!“

Sein Fraa, déi siet och voller Stolz:

„Hen ass nach ze schued fir Feierholz.“

 


 

On nach en Zogenbrächer

Hent hot Heyer Hanni hanner hirem Hoos honnert Huesen héiern housten!

(hent - in der vergangenen Nacht)

 

Auch in der Vergangenheit haben Oberbilliger gern unser Dorf auf Platt besungen. Einen bedeutenden Anfang machte der Schiffersohn Johann Jakob Matz (*1885 in Oberbillig; †1942 in Diusburg). Er beschrieb sein Heimatdorf und die damaligen Oberbilliger geradezu enthusiastisch in seinem 1934 verfassten, 60 Strophen langen Gedicht „Daohiėm“. Nach ihm hat Frau Maria Anna Welsch (Welschen Jenny oder Tant Jenny) Gedichte und Prosa auf Platt geschrieben, die leider nicht publiziert wurden. In jüngerer Zeit hat der Heimat- und Verkehrsverein 1980 das Bändchen „An éisem klienen Därfi“ herausgegeben. Darin sind Gedichte außer von Johann Jakob Matz von den Oberbilligern: Agnes Holbach, geb. Weber, Richard Kandel, Gottfried Welsch, Johann Baptist Welsch und Heino Zimmer enthalten.

 

Zum Moselfränkische im Raum Luxemburg-Trier im Allgemeinen ist zu sagen, dass unsere uralte von Kelten, Römern und Franken geprägte Volkssprache bei einem unkundigen Hörer auf Unverständnis in mehrfacher Hinsicht stoßen kann. Beispielhaft wird der Lehrer und Prediger Christoph Friedrich Wehrhan (1761-1808) zitiert. Er hatte wie Goethe 1792 an dem Feldzug der deutschen Fürsten zur Niederschlagung der Französischen Revolution teilgenommen. In seinem 1802 erschienenen Buch "Scenen und Bemerkungen aus meinem Feldpredigerleben im Feldzuge der Preussen nach der Champagne im Jahr 1792" schreibt er auf den Seiten172-174 im Kapitel "Uebergang der Sprache":

In Longwy hingegen sprach man kein Deutsch mehr. Hier mit der Gränze herrschte monarchisch nur die französische Sprache. Genau genommen ist es aber auch kein Wunder; denn in keinen grauenhafteren Tönen tritt die deutsche Sprache auch wohl irgendwo auf, als im Luxemburgischen. Es ist eine Sprache, die sich trefflich zum Geisterbeschwören oder für die Hexenaltfrau im Makbeth schicken würde. Und dieser abscheuliche Dialekt geht auch, nur wenig gemildert im Trierschen fort. …..................... Eigentlich spricht man im Luxemburgische fast noch ganz die alte deutsch Sprache, wie sie Luther in seiner Bibelübersetzung gebrauchte. ….............. Diese altdeutsche Sprache würde nun freilich das Widrige nicht ausmachen, aber sie ist in einen so grauenvollen, halb heulenden Nasen- und Gurgelton eingekleidet, der so langsam wie bebend einherrolt, daß es schon darum schwer hält, Zutraun zu diesen Leuten zu fassen.“

 

Wir Moselfranken, hier im zweitausendjährigen geschichtsträchtigen Kulturraum sollten da über den Preußen Christoph Friedrich Wehrhan, der wie so viele Preußen nach ihm keinen Zugang zu unserer Landschaft und zu unseren Werten gefunden hat, nur nachsichtig lächeln. Karl-Heinz Zimmer