1816 - Oberbillig wird eine selbständige Gemeinde
Als politische Gemeinde ist Oberbillig ist ein Kind dieser großen Zäsur der
europäischen Geschichte am Ende des 18. Jahrhunderts, der Französischen Revolution. Es kam allerdings unter schweren und langwierigen Geburtswehen zur Welt. Nach der Niederlage Napoleons im Jahr 1814 wurde Frankreich am 30. Mai ds. Jrs. im Frieden von Paris wieder in seine alten Grenzen zurück gewiesen. Bereits einen Tag später, also am 31. Mai 1814 einigten sich die Gegner Frankreichs darauf, die linksrheinischen „deutschen“, Gebiete -also auch das ehemalige Herzogtum Luxemburg- provisorisch unter Zivilverwaltungen zu stellen und zwar die nördlich der Mosel unter preußische und die südlich der Mosel unter österreichisch-bayrische Verwaltung. Vor Ort war der Beschluss am 16. Juni 1814 vollzogen. Damit gehörte Oberbillig vorläufig zur Bürgermeisterei Wasserliesch. Daher hat der nördlich der Mosel zuständige preußische General-Gouvernement-Kommissar Athenstädt am 12. Februar 1815 die drei Oberbilliger Schöffen: Bernard Schmit, Johann Scholtes und Peter Braun aus dem Merterter Gemeinderat verwiesen und an ihrer Stelle drei neue Schöffen aus Wasserbillig ernannt. Bernard Schmit (1767-1820) war ein vermögender Bauer, der 1795 als der am höchsten veranlagte Oberbilliger Steuerzahler genannt wird.
Auf dem Wiener Kongress, er dauerte vom 18. September 1814 bis 9. Juni 1815, wurde eine umfassende territoriale Neuordnung Mitteleuropas beschlossen. Noch während der Kongresse oder besser kurz vor dessen Abschluss, nämlich am 31. Mai 1815 hatten die dortigen preussischen und niederländischen Bevollmächtigten einen separaten Vertrag abgeschlossen, der im Vorgriff aus die Schlussakte des Kongresses die Schaffung des Königreichs der Niederlande und des Großherzogtums Luxemburg und deren Grenzen festlegte. Diese Vereinbarungen wurden dann von allen Staaten im Abschlussdokument des Kongresses, der „Wiener Congreß - Acte“ von 08. Juni 1815 endgültig anerkannt. Mit Artikel 67 wurde das Großherzogtum Luxemburg gebildet und mit Artikel 68 die Mosel von der Grenze zu Frankreich bis zur Mündung der Sauer als dessen südöstliche Grenze gegenüber dem Königreich Preußen, das nunmehr die Gebiete rechts der Mosel erhalten hatte, festgelegt. Damit war der Ortsteil Oberbillig -nunmehr auf Preußischem Staatsgebiet- von seinem luxemburgischen Hauptort Wasserbillig abgeschnitten. Solche Zerschneidungen gab es auch an anderen Stellen der Grenzen zwischen dem Königreich der Niederlande und dem ihm indirekt zugehörigen Großherzogtum Luxemburg gegenüber dem Königreich Preußen. Deshalb war im Vertrag vom 31. Mai 1815 und in Artikel 66 der Wiener Congreß - Acte u. a. vereinbart worden, dass eine niederländisch-preußische Kommission die Grenze genau bestimmen sollte.
Die Kommission nahm bereits am 08. Januar 1816 ihre Arbeit auf und ein halbes Jahr später am 26. Juni 1816 wurde in Aachen ein Grenzvertrag zwischen den Königreichen Preußen und der Niederlande geschlossen, der in Artikel 5 zwei Ausnahmen von Prinzip der Flußgrenzen bestimmte, nämlich Oberbillig und die östlich der Our gelegenen Ortsteile von Vianden wurden wieder ein Teil des Großherzogtums Luxemburg. Diese Entscheidung, mit der Oberbillig wieder seinen Platz in der Gemeinde Mertert einnahm, wurde von den Billigern auf beiden Seiten der Mosel freudig begrüßt. Das besondere Interesse des neuen Großherzogtums war, dass es hier ohne Einverständnis Preußens eine Brücke über die Mosel bauen konnte. Zu der Zeit gab es zwischen Thionville und Trier noch keine Moselbrücken. Preußen kamen sehr schnell Bedenken nicht nur wegen eines evtl. Brückenbaues auch wegen möglicher Behinderungen der Moselschifffahrt, der Erhebung von Zöllen usw. Die Freude der Billiger währte nur kurz, denn auf Drängen Preußens machte keine drei Monate später am 07. Oktober 1816 der Vertrag von Kleve in Artikel 10 diese Vereinbarung bezüglich Oberbillig wieder rückgängig. Die Trennung war nach zweijährigem Hin und Her nunmehr endgültig und Oberbillig war eine selbständige Gemeinde in der Bürgermeisterei Konz im preußischen Landkreis Trier geworden. Allerdings hatten die vielfach verwandten Bürger der nunmehr beiden Billig an diesen Entscheidungen keinen Anteil. Für die war die Sache allerdings noch lange nicht ausgestanden, denn so einfach ließ sich die seit der Spätantike bestehende gemeindliche und kirchliche Gemeinschaft nicht auseinanderreißen. Es dauerte länger als ein halbes Jahrhundert bis mit viel Ärger und Hader die Entflechtung des gemeindlichen Eigentums hüben und drüben und die Loslösung von der Mutterpfarrei an endlich unter Dach und Fach war.
Die Aufteilung des gemeinsamen kommunalen Grundbesitzes ohne die Wälder wurde im Verhältnis der Anteile an der Gesamtzahl der Haushalte von 1815 für Wasserbillig 51/82 und für Oberbillig 31/82 vorgenommen. Die Felder wurden nach fünf Gütelassen mit den Werten 15, 25, 50, 60 und 100 Franken/Morgen erfasst. In der Anhörung in Wasserbillig im August 1819 stimmte der Oberbilliger Schöffe, der Bauer Johann Zewen (1774-1853) dem Verfahren zu mit der Bedingung, dass die Wasserbilliger den Oberbilligern ihren Anteil an den Baukosten der neuen Pfarrkirche erstatten. Im Oktober 1843 kam es dann zur Unterzeichnung des Protokolls der Wertermittlung über die auf Wasserbilliger Seite 36 Objekte mit 3785 Franken und auf Oberbilliger Seite 47 Objekte mit 2956 Franken. Besondere Regelungen und noch jahrelangen Streit gab um die Wälder -auf Oberbilliger Seite den „Großenbüsch“ und auf Wasserbilliger Seite den „Serniger Wald“, die Weiderechte auf den Drieschen, die Steinbrüche und weitere Einzelobjekte. Erst Mitte der 1850er Jahre -also vierzig Jahre nach der politischen Trennung- kam die Auflösung der zivilgemeindlichen Güter endlich zu Abschluss.